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Heimische Unternehmen schlagen Alarm

Quelle: Allgäuer Wirtschaftsmagazin Ausgabe 1, 2021 / Februar 2021

Heimische Unternehmen schlagen Alarm
Wie sind Allgäuer Unternehmer ins Jahr 2021 gestartet?

 
Die Industrie zeigt sich robust, die Baubranche boomt, und doch mehren sich die Stimmen, die vor einem anhaltenden Krisenjahr warnen. Das ifo Institut für Wirtschaftsforschung warnte jüngst, dass sich die Stimmung in den deutschen Chefetagen merklich verschlechtert habe. Die Unternehmen beurteilten ihre aktuelle Lage schlechter als noch zum Ende des vergangenen Jahres und auch ihre Erwartungen an 2021 fielen durchaus pessimistischer aus. Hat damit die zweite Corona-Welle die Erholung der deutschen Wirtschaft beendet? Wir haben uns bei unseren Kunden und Unternehmern im Allgäu umgehört.
 

Harald Hertweck, Managing Director, Endress+Hauser, Nesselwang
"Das Jahr 2020 konnten wir bei Endress+Hauser Temperature+System Products trotz der schwerwiegenden Corona-Einflüsse erfreulicherweise mit einem nur etwas schwächeren Umsatz als 2019 abschließen und durften all unsere Mitarbeitenden gesund und wohlauf in 2021 willkommen heißen. Das neue Jahr hat für uns dank einer globalen Marktpräsenz positiv begonnen. Für das Geschäftsjahr 2021 sind wir recht zuversichtlich gestimmt. Dies gilt im Besonderen für einzelne Länder in Europa und in Amerika. Vor allem aber erweisen sich die Märkte in China und anderen Teilen von Asien als besonders wachstumsfreudig."

 
Wolfgang Dorn, Vorsitzender der Geschäftsführung, Josef Hebel GmbH & Co. KG, Bauunternehmung, Memmingen
"Die Bauindustrie ist mit einem guten Auftragsüberhang ins neue Jahr 2021 gestartet. Seit Jahresbeginn sind jedoch die Aktivitäten auf den Baustellen durch die Witterung stark reduziert, was aber zu dieser Jahreszeit nichts ungewöhnliches ist. Die Unternehmen haben sich organisatorisch den coronabedingten Herausforderungen gestellt. Natürlich sind wir etwas besorgt durch diverse Auftragsstornierungen von gewerblichen Auftraggebern, die ihre geplanten Investitionen zurückgestellt haben sowie der Investitionsbereitschaft der öffentlichen Hand. Im Sinne der Gesamtwirtschaft appellieren wir an ein weiterhin hohes und verstetigtes Investitionsniveau. Die Geschäftslage wird sich weiterhin positiv entwickeln, allerdings unter der Voraussetzung eines möglichen Weiterarbeitens auf den Baustellen. Das größte Risiko ist ein kompletter Lockdown, der alles zum Erliegen bringen würde. Hier wären unser Unternehmen wie auch die gesamte Wirtschaft gleichermaßen betroffen. Viele Branchen haben ja jetzt schon einen erheblichen Leidensweg hinter sich und stehen teilweise am Abgrund. Die Streichung von dringend notwenigen Bauinvestitionen bedingt durch zurückgehende Steuereinnahmen bei der öffentlichen Hand bleibt eine latentes Risiko in den nächsten Monaten und Jahren. Hier ist eine vorausschauende und umsichtige Politik gefordert, die den Investitionen die entsprechende Bedeutung für die Gesamtwirtschaft beimisst."
 
Gottfried Csauth, Geschäftsführer der Betriebsgesellschaft der Aktienbrauerei Kaufbeuren GmbH
"Die Situation ist mehr als ernst. Der anhaltende zweite Lockdown hat das Brauereigeschäft viel stärker noch getroffen als der erste. Wir kämpfen mit gravierenden und beängstigenden Einschnitten. Ganz konkret mit Umsatzeinbußen im Januar 2021 von mehr als 50 Prozent. Jeder kann sich denken, dass mit der Schließung der Gastbetriebe und der Absage von Veranstaltungen jeglicher Art für uns ein kompletter Vertriebszweig weggebrochen ist. In einem normalen Jahr macht die Gastronomie 47 Prozent unseres Ausstoßes an Getränken aus. Das ist alles weggebrochen. Aktuell konzentrieren wir uns daher auf den Handel und das Online-Geschäft. Doch auch da stagniert der Umsatz. Das Schlimmste jedoch ist, dass wir keinerlei Prognosen oder gar Planungen für die nahe Zukunft machen können. Wie lange wird der Lockdown anhalten? Wird es Großveranstaltungen und Feste in diesem Jahr noch geben können? Werden unsere Partner, wie Gastrobetriebe und Getränkehändler das Krisenjahr  überstehen? Hier bietet auch die Politik aktuell keinerlei Perspektive und Unterstützung. So habe ich beispielsweise noch kein Antragsformular gesehen, über das ich versprochene Hilfen beantragen kann. Ausbildung, Personalstand, Investitionen – alle Bereiche müssen derzeit kritisch betrachtet werden. Wahrlich keine gute Zeit für eine Brauerei mittlerer Größe wie es die Aktienbrauerei ist. Ich kann nur hoffen, dass unsere Partner weiter zu uns halten und wir uns bald wieder an einem Tisch auf ein Aktienbier treffen können."
 
Marcel Dyk, unabhängiger Finanzberater, Kempten
"Das Corona-Jahr hat uns allen seine Hausaufgaben aufgegeben. So kommen derzeit viele verunsicherte Kunden auf mich zu, die die große Frage umtreibt: Wie lege ich mein Geld richtig an, vor der Krise, in der Krise und nach der Krise? Die Wissenschaft gibt hierauf klare Antworten. Die Arbeit geht mir also nicht aus und ich kann es nur befürworten, dass viele die Zeit nutzen und sich aktiv gerade jetzt um ihren Vermögensaufbau kümmern. Dennoch vermisse ich es, den Menschen in meinen Workshops die Kunst des Geldanlegens näher zu bringen. Diese Workshops können derzeit nur online stattfinden. Mich beschäftigen durchaus auch die gesellschaftlichen Auswirkungen der Pandemie: geschlossene Läden und Cafés, die kontroversen Diskussionen, eine gespaltene Bevölkerung in Angst und eine gedankenlose Vermehrung der Geldmenge, die zu einer Veränderung des jetzigen Geldsystems, zum Beispiel in Form einer Inflation führen kann. Ich bin der Meinung, dass alle Fachleute gehört werden und Medien sowie Politik aufhören sollten, Angst zu verbreiten. Stattdessen wäre ein Vertrauen in die Eigenverantwortung der Menschen angebracht."
 
Oliver Stotz, Inhaber und Geschäftsführer der Ingenieurbüro Stotz GmbH, Leutkirch
"Wir sind bisher gut durch die Krise gekommen. Es hat sich ausgezahlt, dass wir schon immer in IT-Infrastruktur und Security investiert, früh Home-Office-Plätze eingerichtet und unseren Mitarbeitern viel Vertrauen entgegengebracht haben. Weit mehr als die Hälfte unserer rund 40 Mitarbeiter befindet sich derzeit im Home-Office und fühlt sich dort auch gut betreut. So aufgestellt ist es uns sogar gelungen, neue Kunden zu generieren und für unsere bestehenden Auftraggeber dauerhaft als externes Büro beschäftigt zu sein. So sehen wir auch dem Jahr 2021 optimistisch entgegen: Wir wollen auch über den Lockdown hinaus flexible Home-Office-Lösungen beibehalten und sind derzeit auf der Suche nach Verstärkung für unser Team."
 
Karl-Heinz Simon, Geschäftsführer Holz Espermüller, Kaufbeuren
"Wir sind gut ins Jahr 2021 gestartet und erwarten eine anhaltend positive Geschäftsentwicklung. Als Holz-Großhändler profitieren wir vom Interesse privater und gewerblicher Bauherren an der Holzbauweise. Der Holzbau ist weiter auf dem Vormarsch, so dass wir in verschiedenen Bereichen unser Sortiment erweitern und uns breiter aufstellen werden. Ich sehe jedoch ein großes Problem auf uns zukommen, das mit der Schließung der Fachmärkte wie dem unseren einhergeht. Der Innenausbau vieler Häuser und Wohnungen ist ins Stocken geraten, weil Bauherren keine Möglichkeit haben, vor Ort auszuwählen oder sich beraten zu lassen. Hier wird es einen regelrechten Beratungsstau geben und die Fertigstellung von Wohnräumen wird sich zwangsläufig verzögern. Außerdem beobachte ich, wie in Discountern Baumarkt-Artikel an Wühltischen ohne jedes Hygienekonzept verkauft werden. Wir bieten dagegen in unserem Holzmarkt auf 800 Quadratmetern Bodenbeläge, Türen und Fassadenholz an – Hygienekonzept inklusive. Da sehe ich bei der Politik Nachholbedarf, den Einzelhandel fair zu stützen."
 
Angelika Hirschberg
 
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